Der Corona-Shutdown hat eine tiefe Wirtschaftskrise ausgelöst. Axel D. Angermann, Chefökonom der MLP Tochter FERI, erklärt, was das für private Anleger bedeutet.
Die Börsen verzeichnen die größten Verluste seit der Finanzkrise vor mehr als zehn Jahren. Handelt es sich hier lediglich um eine vorübergehende Korrektur, oder stehen wir am Beginn einer längeren Talfahrt?
Klar ist, dass große Teile der Weltwirtschaft, darunter Deutschland, schon jetzt mit einem scharfen Einbruch der Wirtschaftsleistung konfrontiert sind. Dieses Rezessionsrisiko haben die Aktienmärkte in den vergangenen Wochen sehr schnell und sehr abrupt mit Verlusten von mehr als 30 Prozent eingepreist.
Ob die Abwärtsbewegung weitergeht und in einen ausgewachsenen Bärenmarkt mündet, hängt wesentlich davon ab, wie lange die Einschränkungen des öffentlichen Lebens zur Bekämpfung der Pandemie andauern und ob sie überhaupt den gewünschten Erfolg bringen.
Mit welchem Szenario rechnen Sie?
Unser Basisszenario geht derzeit davon aus, dass in den kommenden Wochen eine Eindämmung der Pandemie gelingt, sich das öffentliche Leben dann wieder schrittweise normalisiert und wir im zweiten Halbjahr in der Realwirtschaft deutlich positive Gegenbewegungen sehen. In diesem Fall wäre auch früher oder später mit einer deutlichen Erholung an den Aktienmärkten zu rechnen.
Was ist in der heutigen Situation anders als in der Finanzkrise von 2008?
Was den Einbruch beim Bruttoinlandsprodukt betrifft, müssen wir heute mit ähnlichen Größenordnungen rechnen wie 2009. Der Unterschied besteht darin, dass die Ursache der Krise seinerzeit direkt im Finanzsystem lag, während es sich diesmal um einen exogenen Schock handelt, der unmittelbar die Realwirtschaft trifft.
Besonders gravierend ist, dass erhebliche Teile des privaten Konsums sowie große Teile des Dienstleistungssektors für einige Zeit praktisch lahmgelegt werden. In bestimmten Bereichen steigt die Gefahr von Firmenpleiten dramatisch. Deshalb ist es absolut richtig, dass die Bundesregierung unbeschränkte Hilfen in Aussicht gestellt hat, um negative Multiplikatoreffekte in der Wirtschaft abzuwehren.
Glücklicherweise verfügen auch die Banken heute über eine deutlich bessere Eigenkapitalausstattung als 2008. Wenn es gelingt, die Pandemie relativ bald unter Kontrolle zu bekommen und Geld- und Fiskalpolitik alles Notwendige unternehmen - und das werden sie tun - besteht die realistische Chance, dass es sich insgesamt um einen zwar tiefen, aber zeitlich begrenzten Einbruch handelt.
Wie sollten sich Anleger denn jetzt verhalten?
Für den Moment gilt erstmal, dass man Aktien und Aktienfonds jetzt nicht verkaufen sollte – aus den virtuellen Wertverlusten würden dann echte Verluste. Anleger sollten sich daran erinnern, dass die Börsen in Extremsituationen immer zu Überreaktionen neigen und angesichts der Vehemenz des Corona-Crashs nicht selbst in Panik verfallen.
Epidemien haben stets einen exponentiellen Verlauf, erreichen einen zyklischen Höhepunkt und verlieren dann relativ schnell an Dynamik. Wenn sich in dieser Hinsicht Besserung abzeichnet, dürften deutliche Kurserholungen folgen. Risikofreudigen Anlegern bieten sich damit in den kommenden Wochen möglicherweise günstige Einstiegsmöglichkeiten.
Das Risiko einer sich verschärfenden Krise mit weiteren Kursverlusten ist allerdings durchaus real und sollte nicht vollständig ausgeblendet werden. Anleger mit einem langfristigen Anlagehorizont sollten weiterhin auf Aktien setzen und dabei die Anlage zeitlich strecken, etwa in Form von Sparplänen.
Gibt es generell gut geeignete Konzepte für die private Geldanlage in solchen Ausnahmezeiten?
Eine gute Wahl in diesen unübersichtlichen Zeiten sind grundsätzlich vermögensverwaltende Konzepte, denn hier kann das Management selbst nach dem Grundsatz der Risikostreuung weltweit in verschiedene Anlageklassen und Regionen investieren und deren Gewichtung je nach aktueller Lage anpassen. Das ist keine Garantie für die Vermeidung von temporären Abwärtsbewegungen, wie wir sie gerade erleben, entlastet aber den Anleger davon, selbst das richtige Timing zu wählen, was ohnehin meistens nicht gelingt.
Was gilt speziell für die Altersvorsorge?
Langfristig bleibt es – auch aufgrund von Zinsen im Negativbereich – dabei, dass an Aktieninvestments für den langfristigen Vermögensaufbau und die private Altersvorsorge kein Weg vorbeiführt. Auch wenn dieser Grundsatz in der Wahrnehmung vieler Menschen zur Zeit auf eine harte Probe gestellt wird, sollte man sich vergegenwärtigen: In einem Chart, der die Entwicklung der weltweiten Aktienmärkte als 7-Jahres-Durchschnitt zeigt, ist selbst die Finanzkrise von 2008 mit ihrem mehr als 50%-igen Kursrückgang kaum als solche zu erkennen!